Samstag, 12. August 2017

Geburtsbericht (9)

9. Oktober 2016
In der Nacht weint das Baby sehr viel. Am frühen Morgen bin ich totmüde und verzweifelt und klingele beim Pflegedienst. Das Baby trinkt immer nur ganz kurz, schläft ein und wacht dann schreiend auf. Die Hebamme hat Erbarmen mit mir und nimmt mir das Baby ab. Beim Rumtragen beruhigt er sich aber das kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich habe trotz Stillhütchen Schmerzen beim Stillen und stark gereizte Brustwarzen, sodass ich MultiMam Kompressen bekomme.
Das Nachbarbett wird geholt - es läuft also auch dort auf eine Sectio hinaus. Das Pflaster auf meiner Narbe wird entfernt und ich darf duschen. Während ich unter der Dusche stehe, soll das Baby plötzlich zum Hüftultraschall, sodass der Gatte mit ihm alleine geht. Meine neue Zimmernachbarin kommt nebst großer Entourage aus ihrem Freund, ihrer Mutter, ihrem kleinen Bruder und einem erwachsenen Mann. Nur ihr Kind ist nicht dabei, das liegt auf der Neugeborenenintensivstation. Sie selbst ist 17 und alles andere als kooperativ. Den ihr für Besuche bei ihrer Tochter zur Verfügung gestellte Rollstuhl nutzt sie in erster Linie zum Rauchen. Ach, eigentlich hätte sie einen eigenen Blogbeitrag verdient, so schlimm ist sie. Am Abend bin ich wieder so fit, dass ich beim Wickeln zumindest zusehen kann.

10. Oktober 2016
Der Milcheinschuss kommt. Und wie er kommt! Meine Brüste schwellen auf das Doppelte an und ich kann nicht mehr auf der Seite liegen, weil sie sich dann so komisch übereinander stapeln. Meine Still-BHs passen überhaupt nicht mehr und ich telefoniere mit der Inhaberin eines nahe gelegenen Geschäfts für Umstandsmode, die das Problem schon kennt. Sie fragt mich, welche Größe ich in der Schwangerschaft hatte welche vorher und will mir schonmal was raussuchen (“Ohje ohje. Da muss ich mal gucken.”). Der Gatte holt die Vorauswahl ab, die ich im Zimmer anprobiere. Ich behalte einen der BHs und lasse den Gatten den Rest zurückbringen. Ein Physiotherapeut kommt, zeigt mir ein paar einfache Übungen und lässt mich im Zimmer auf und ab gehen. Am Nachmittag besuchen mich meine Führungskrafft und eine Kollegin. Heute möchte ich endlich selbst wickeln und lasse es mir nochmal genau von einer Hebamme zeigen. Der postoperative Schmerz wird zwar langsam besser, dafür bekomme ich immer stärkere Schulter-Nacken-Beschwerden vom Stillen. Das Baby stinkt von Kopf bis Fuß nach Ampicillin, obwohl ich während der Sectio die letzte Infusion bekommen habe und selbst (im Urin) überhaupt keinen Geruch mehr feststellen kann. Sogar der Pflegedienst findet das bemerkenswert. Ich fühle mich noch immer wie in Watte gepackt und dämmere oft einfach vor mich hin.


11.Oktober 2016
Am Vormittag stehe ich gerade wieder unter der Dusche, als das Baby zur U2 geholt wird. Also geht wieder nur der Gatte mit. Mein Zimmer steht derweil voll mit Angehörigen und Freundinnen der Teenie-Mutter, obwohl die Besuchszeit eigentlich erst um 15 Uhr beginnt. Ich folge Baby und Gatte zum Kinderarzt und komme gerade rechtzeitig, um zumindest noch einen Teil der U2 mitzuverfolgen. Es ist aber alles in Ordnung. Als wir zurück ins Zimmer kommen ist gerade die Pflege bei der Zimmernachbarin und entfernt den überschüssigen Besuch. Das Stillen klappt im Prinzip ganz gut, tut aber immer noch schrecklich weh, besonders beim Anlegen. Leider lässt das Baby zwischendurch immer wieder los, sodass ich pro Stillmahlzeit sehr oft anlegen muss. Es tut so sehr weh, dass ich langsam regelrecht Angst vor dem nächsten Stillen entwickle. Am Nachmittag kommt die BabySmile-Fotografin und macht Babybilder. Ich soll auch aufs Foto, fühle mich aber total hässlich und weigere mich deshalb. Abends schläft das Baby in seinem Bettchen und ich möchte ein bisschen fernsehen. Plötzlich taut aber meine Zimmernachbarin auf und klagt mir ihr Leid. Sie wollte gar nicht im Krankenhaus bleiben, musste aber nun wegen der Sectio. Und weil ich so nett zu ihr war, hat sie sich dann doch ganz wohl gefühlt. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich grundsätzlich erstmal kein netter Mensch bin. Und zu ihr war ich ganz und gar nicht nett. Und das schlimme ist, dass ich offenbar trotzdem netter zu ihr war als der Durchschnittsmensch. Das macht mich traurig. Meine Zimmernachbarin erklärt mir derweil, dass sie keinen Bock auf das Jugendamt hat (das die Vormundschaft für ihr Baby übernimmt) und dass man sie hier nicht zu ihrem Baby lässt. Ich sage ihr nicht, dass das vielleicht daran liegt, dass sie immer erst rauchen geht und dann in Bomberjacke und mit einer Plastiktüte in der Hand vor der Neointensiv steht weil ich denke, dass sie das nicht verstehen würde. Außerdem will ich ja eigentlich fernsehen, verdammt.

12. Oktober 2016
Wir ziehen nach Hause.

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