Freitag, 11. August 2017

Geburtsbericht (8)

Ich werde zurück zu meinem Bett in den Flur gebracht. Beim Umlagern verfängt sich irgendwo meine Infusion und mein wundervoller Venenzugang wird gezogen. Ich drücke geistesgegenwärtig auf das blutende Loch in meiner Hand und verhindere damit immerhin, dass ich alles vollblute. Mir wird noch im Flur ein neuer Zugang gelegt (jetzt nur noch rosa statt grün) und ich werde um 20.10 Uhr mit dem Aufzug zurück nach oben und in einen Kreißsaal gebracht, in dem der Gatte mit dem Baby auf dem Arm auf mich wartet. Ich bekomme die erste Targin Tablette (40/20). Mein Bett wird ein bisschen aufgerichtet, ich bekomme das Baby auf die nackte Brust gelegt und wir werden dick eingepackt. Es wacht zwischendurch auf und knurrt und guckt mit seinen winzigen zugekniffenen Augen durch die Gegend. 
Die Hebamme "hilft" mir beim ersten Anlegen, was so aussieht, dass sie meine Brustwarze nimmt und mit möglichst viel Haut in des Babys Mund stopft. Dann saugt das Baby los. Und wie es saugt! Es ist ein Gefühl, als würde mir ein Messer in die Brustwarze gesteckt und gedreht werden. Wenn es aufhört, kommt wieder die Hebamme und legt wieder an. Damit nicht genug, verabschieden sich langsam sowohl PDA als auch Spinalanästhesie und der OP-Bereich beginnt, weh zu tun. Das Tolle am Stillen ist, dass es die Rückbildung unterstützt, weil das dabei ausgeschüttete Oxytocin dafür sorgt, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht. Meine Gebärmutter hat allerdings eine lange, frische Narbe und die postoperativen Schmerzen werden durch die Kontraktionen noch verstärkt. Weil ich kein Ibuprofen vertrage, bekomme ich 1g Paracetamol. Mein Blutdruck steigt auf 165/100 und ich bekomme Fieber. Man gibt mit um 21.00 Uhr 40 Tropfen Novalgin und weil das quasi keinen Effekt hat dann um 21.20 Uhr 2 ml Dipidolor i.v., was nicht nur meine Pupillen weitet, sondern auch endlich die Schmerzen etwas erträglicher macht, sodass Temperatur und Blutdruck sich normalisieren. Ich darf etwas Wasser trinken. Die Hebamme verschwindet zur Übergabe an den Nachtdienst. Ich kann aufgrund der Schmerzen immer noch nicht sprechen, deshalb ruft der Gatte meine Mutter an und berichtet ihr von der Geburt. Anschließend ruft er seine Eltern an. Die Nachthebamme übernimmt mich. Sie holt das Tablett mit meinem Abendessen und der Gatte füttert mich. Wir bekommen die Glückwunschkarte des Krankenhauses mit dem ersten Bild des Babys, die ich hüte wie einen Goldschatz.
Die Hebamme und der Gatte wickeln das Baby und ziehen es an. Gegen 22.30 Uhr werde ich auf mein Zimmer gebracht. Die Nachtschwester polstert mein Bett links von mir mit Handtüchern aus und legt mein Baby neben mich, sodass ich trotz Sectio ohne Hilfe stillen kann. Der Freund der Zimmernachbarin ist noch da, beide ermuntern den Gatten, doch auf dem Fußboden zu schlafen aber das findet der Pflegedienst wahrscheinlich nicht so prickelnd und was soll er auch da.

8. Oktober 2017

In der Nacht kommt regelmäßig eine Hebamme und schaut nach mir, misst meinen Puls, leert den Blasenkatheter, wechselt meine Vorlagen. Gegen Mitternacht schwitze ich so stark, dass meine Bettdecke gegen ein Frotteetuch getauscht wird. Um halb vier habe ich wieder starke Schmerzen und lasse mir eine weitere Dosis Dipidolor geben. Ich versuche immer wieder, das Kind zu stillen aber ich habe Schwierigkeiten beim Anlegen und wenn es klappt, lässt es nach zweimal Nuckeln wieder los. Die Schmerzen dabei sind rasend. Um 6 Uhr bekomme ich ein Stillhütchen, damit geht es etwas besser und auch der Anlegeschmerz ist nicht mehr so stark. Um 8 Uhr ist der Gatte wieder da und holt mir Frühstück vom Bufett. Anschließend verschwindet er zu IKEA, um unsere neue Einbauküche zu planen. Eigentlich wollten wir das zusammen machen, durch die zu frühe Geburt ist unser Zeitplan aber völlig durcheinander geraten. Meine Zimmernachbarin wird entlassen und ein leeres Bett nimmt ihren Platz ein. Mein Mittagessen wird gebracht aber ich schaffe nicht, es aufzuessen. Ich versuche mehrfach, meinen Vater zu erreichen aber sein Handy ist ausgeschaltet und einen Festnetzanschluss hat er nicht. Um 15 Uhr kommen eine Hebamme und eine Krankenpflegerin, um mich zu mobilisieren. Ich darf mir aussuchen, ob ich mit oder ohne Katheter aufstehen möchte und auch wenn ich sehr dankbar über ihn war (hochschwanger unter Wehen musste ich extrem oft aufs Klo und nach der Sectio dann plötzlich gar nicht mehr, das war schön), zwickt er doch bei jeder Bewegung und Aufstehen will ich mir lieber gar nicht vorstellen. Das Aufstehen selbst ist wahnsinnig anstrengend und schmerzhaft aber ich schaffe es ganz alleine und gehe unter Aufsicht zum Klo. Der Gatte kommt von der Küchenplanung zurück und versucht, zwei verschiedene Entwürfe mit mir zu besprechen aber ich bin überhaupt nicht dazu in der Lage und es ist mir auch egal. Meine Schwiegereltern haben ihren Aufenthalt extra verlängert und kommen nun, um das Baby zu sehen. Am Abend wird der Gatte beim Wickeln angeleitet. Ich kann zwar aufstehen und alleine zum Klo schleichen aber ausschließlich in nach vorn gebeugter Haltung, sodass ich noch nichts dazu beitragen kann. Ich versuche immer wieder, ohne Stillhütchen anzulegen, weil mich das Ding unheimlich nervt und ich Angst habe, es dem Baby nicht mehr abgewöhnen zu können aber es klappt nicht gut. Die Stillberaterin beruhigt mich und ermuntert mich, das Stillhütchen ruhig erstmal weiter zu benutzen. Der Spätdienst sagt mir, dass meine nächste Zimmernachbarin bereits kreißt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen