Freitag, 25. Januar 2013

Meine Angst vor dem #Aufschrei

Als ich heute früh den Aufschrei-Hashtag entdeckte, war ich hin und her gerissen, ob ich meine eigenen Erfahrungen twittern sollte oder nicht. Ähnlich verhält es sich mit diesem Blogpost. Meine Bedenken rühren in erster Linie daher, dass ich einige meiner FollowerInnen persönlich kenne und wenig Bock auf den Opfer-Stempel habe, der einem schnell aufgedrückt wird. Meine Bitte also, wenn ihr weiterlesen wollt: ich bin immer noch die Gleiche, vergesst das nicht.

Bei den Meinungen, die ich heute zu dem Thema gelesen habe, ist mir eines immer wieder aufgefallen: die Aussage, Frauen/Mädchen sollten sich wehren und die Männer nicht mit ihrem übergriffigen Verhalten durchkommen lassen. Wer das sagt, hat entweder noch nie eine solche Situation erlebt oder verdient meine Hochachtung. Ich kann das nicht. Ich kann das aus mehreren Gründen nicht.
1. Es ist manchmal schwierig zu erkennen, ob es sich tatsächlich um einen Übergriff handelt oder nicht. Oft fällt mir erst hinterher auf, dass das ganz und gar nicht in Ordnung war. Ich will keinen Mann in aller Öffentlichkeit zu Unrecht beschuldigen. So sehr, dass ich lieber den Mund halte, auch wenn es sich vielleicht um einen tatsächlichen Übergriff handelt.
2. Scham und Hilflosigkeit. Als mein ehemaliger Gynäkologe während der Untersuchung meiner Brüste sagte, mein Freund könne sich glücklich schätzen, wie hätte ich da "richtig" reagieren sollen? Ich stand mit nacktem Oberkörper vor ihm, da klemmt man sich nicht mal eben die Klamotten unter den Arm und verschwindet aus der Praxis.
3. Die Angst, dass mir niemand glaubt. Und verstärkt: die Angst, dass mir niemand glaubt, wenn mal "mehr" passiert. Wie der kleine Junge, der immer Wolf ruft. Wenn ich jeden kleinen Übergriff beachte und "an die große Glocke hänge", denken die Leute dann nicht, dass ich bloß Aufmerksamkeit will? Und falls ich mal vergewaltigt werden sollte, denken sie dann nicht, dass ich einfach noch mehr Aufmerksamkeit will? Dass ich mir das bloß ausdenke?


Als ich 13 war, hat sich der damalige Freund meiner Mutter an mir vergangen. Er hat sich auf mich gelegt und mich geküsst und mich gestreichelt. Und alles, was ich denken konnte war "Das reicht noch nicht. Er muss mehr machen, sonst kann er sagen, dass das ein Missverständnis war.". Erst, als er mir das T-Shirt hochgeschoben, meine Brüste geküsst und mir zwischen die Beine gefasst hatte, war ich mir sicher, dass es reicht, habe ihn weggeschoben und bin in mein Zimmer geflüchtet. Als er unter der Dusche stand, habe ich meine Mutter angerufen. Obwohl sie mir nie einen Anlass für solche Gedanken gegeben hat, hatte ich Angst, das sie mir nicht glaubt. Sie hat ihn rausgeschmissen und sich schreckliche Vorwürfe gemacht. Sie war schon etwa drei Jahre mit ihm zusammen und manchmal glaube ich, dass der Vertrauensbruch für sie noch schlimmer war als für mich.
Ich habe noch etwas über ein Jahr Zeit, ihn deshalb anzuzeigen (10 Jahre ab dem 18. Geburtstag). Wahrscheinlich werde ich es aber nicht tun. Ich habe ein schlechtes Gewissen deswegen, weil ich mich verpflichtet fühle, den Rest der Gesellschaft vor diesem Typen zu warnen. Aber ich habe schreckliche Angst vor den Folgen, der Verhandlung, den Fragen und davor, ihn wiederzusehen. Tut mir Leid, ich werde es wahrscheinlich nicht tun. Ich hatte schon ein Beratungsgespräch mit einer Anwältin und die hat mir keine großen Hoffnungen gemacht, dass er hart beftraft werden würde. Dafür sei zu wenig passiert. Ach so.

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